Schon während meines Studiums fing ich an, bei der Asylrechtsberatungsstelle „Asyl in Not“ in Wien zu dolmetschen. In diesem Bereich hatte ich also meine ersten Dolmetscherfolge, doch was bedeutet „Erfolg“ eigentlich in der Asylrechtsberatung?
Erfolgreich ist eine Dolmetschung immer dann, wenn die Kommunikation zwischen den GesprächspartnerInnen gelingt. Für uns DolmetscherInnen ist ein Gespräch also nicht erfolgreich, wenn ein Konsens erzielt wurde, sondern wenn die GesprächspartnerInnen sich verständigen konnten.
Bei der Asylrechtsberatung war das zunächst nicht anders. Das Gespräch war für mich erfolgreich zu Ende, wenn keine Fragen mehr offen waren, die ich hätte dolmetschen sollen. Sehr schnell wurde mir aber bewusst, dass mein Dolmetscherfolg hier überhaupt nichts wiegt. Die Menschen sind verzweifelt und haben Angst, kein Asyl zu bekommen. Sie verstehen das System nicht, verstehen nicht, warum sie nicht einfach bleiben können. Mensch sein allein reicht nicht. Leider. Hier geht es um viel mehr als um bloße Verständigung. Es geht darum, den Menschen verständlich zu machen, wie der Asylprozess abläuft und was bei der Verhandlung beachtet werden muss. Wie man sich bei Gericht am besten verhält. Dass es vollkommen inakzeptabel ist, dem Richter Geld zu geben. Dass man pünktlich da sein muss. Dass man seine Fluchtgeschichte „europäisch“ erzählt. Europäisch? Ja, mit Details. Wir EuropäerInnen lieben Genauigkeit und Details, auch in Situationen, in denen sich kein normaler Mensch an Details erinnert: Wie viele Männer kamen ins Haus, als Ihr Mann das erste Mal abgeholt wurde? – Ich weiß es nicht, es waren nicht so viele. – Wie viele waren es denn? – Ich kann mich nicht erinnern, ich stand unter Schock. Es ist doch vollkommen verständlich, dass die Ehefrau sich nicht erinnern kann, wie viele Personen ihren Mann entführten. Stellen Sie sich vor, es kämen plötzlich fremde, maskierte Männer in Ihr Haus und würden Ihren Partner/Ihre Partnerin mitnehmen. Würden Sie noch schnell zählen, wie viele Entführer es sind? Das klingt wie Satire. Doch es ist Realität. In unserer Gesetzgebung.
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